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50 Jahre
Bundesverband Jugend und Film e.V.

1970 bis 2020 – 50 Jahre Bundesverband Jugend und Film

Horst Grundheber

Horst Grundheber
Horst Grundheber


seit 30 Jahren Geschäftsführer für medien.rlp – Institut für Medien und Pädagogik e.V.- in Mainz und Mitglied der AG Clubfilmothek des BJF

Wie bist du zum BJF gekommen? Dein erster Kontakt zum BJF?
Ich bin seit rund 30 Jahren als Geschäftsführer für medien.rlp – Institut für Medien und Pädagogik e.V. in Mainz tätig, dem früheren Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz e.V..
Diese Einrichtung ist seit 1971 als Verleihagentur für die BAG/den BJF tätig, und zu dieser „Agenturpartnerschaft“ gehört selbstverständlich der regelmäßige Austausch mit der BJF-Geschäftsstelle, die Mitarbeit in den Gremien, die Teilnahme an Veranstaltungen und informellen Treffen. Als Leiter der Verleihagentur bin ich zugleich seit vielen Jahren Mitglied in der AG Clubfilmothek, dem Filmauswahlgremium des BJF.

Was begeistert dich beim BJF? Was gefällt dir dort besonders?
Beim BJF begeistert:

• das vielfältige Verleihangebot mit einer gelungenen, auch wirtschaftlich tragfähigen Mischung aus bekannten Kinofilmen und anspruchsvollen Arthouse-Produktionen

• das ergänzende Vertriebsangebot, mit dem hervorragende Kinder- und Jugendfilme überhaupt erst für die kulturelle Filmarbeit in Deutschland verfügbar gemacht werden (Editionen „Durchblick“ und „Weitblick“)

• die hochwertige pädagogische Begleitung von Vertriebsangeboten in der Edition „Durchblick“, welche wertvolle Unterstützung beim Filmeinsatz bietet

• die vielfältigen Tagungen, Veranstaltungen und Projekte rund um kulturelle Filmarbeit und Filmpädagogik, mit denen der BJF zusammen mit seinen Landesverbänden bundesweit präsent ist

• der konsequente Einsatz des BJF für die Nachwuchsförderung: von der Werkstatt Junge Filmer bis zur Jungen Filmszene

• der hohe Grad an Vernetzung, den der BJF durch diese unterschiedlichen Angebote nicht nur im Bereich der jungen Filmschaffenden, sondern auch in der pädagogischen und Kulturellen Filmarbeit (der Filmbildung) erreicht hat

Beim BJF gefällt dabei besonders, dass er alles das geleistet hat mit einer kleinen hauptberuflich besetzten, fachlich versierten Geschäftsstelle, unterstützt durch einen aktiven Vorstand und viele engagierte neben- und ehrenamtliche Mitglieder und Partner.

Welches besondere Ereignis/Veranstaltung/Aktion verbindest du mit dem BJF?
Das „Wanderkino im Zirkuszelt“ anlässlich des 100jährigen Kinojubiläums war ein sehr ambitioniertes, mutiges, respekteinflößendes Projekt, also schon ein besonderes Ereignis - dem besonderen Anlass angemessen. Ein solches Leuchtturmprojekt ist auch nach 25 Jahren noch in Erinnerung. Aber: Mit dem BJF verbinde ich und verbinden mich persönlich viel stärker die regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen und Treffen – allen voran die AG Clubfilmothek. Neben der hohen Fachkompetenz und dem von Enthusiasmus getragenen ehrenamtlichen Engagement, das mir dort immer begegnete, waren es vor allem die persönlichen, freundschaftlichen Beziehungen, die diese Arbeitstreffen stets zu einem Freizeiterlebnis gemacht haben - nicht zu vergessen so manch abendliches Begleitprogramm, das sich schon recht unterschiedlich gestalten konnte (von einem abendlichen Besuch der Düsseldorfer Altstadt mit Bernd Reimer bis zum geselligen Umtrunk in Ulli Ehlers nordischer Gartenkommunikationshütte (der Terminus technicus für dieses spezielle Holzgartenhaus ist mir entfallen).

Was wünschst du dem BJF für die Zukunft?
Ich wünsche dem BJF, dass es ihm gelingt, den geänderten Nutzungs- und Sehgewohnheiten in den digitalen Medienwelten Rechnung zu tragen, aber diesen auch etwas entgegenzusetzen: vor allem die Fähigkeit und Bereitschaft sich auf inhaltliche und ästhetische Qualität in Spielfilmlänge, auf reizarme oder auch ungewohnte Bilder einzulassen.
Ich wünsche dem BJF, dass er bei dieser Aufgabe nicht nur die Kinder erreicht, sondern endlich einen stärkeren Zugang zur Jugend findet – diese Zielgruppe hat der BJF ja beständig im Blick, sie ist schließlich auch Bestandteil des Vereinsnamens, aber es fehlen bisher funktionierende Ansätze zu einer besseren Nutzung des Filmangebotes im Jugendbereich.

Der BJF ist heute unangefochten die bedeutendste Anlaufstelle für kulturelle Filmarbeit in Deutschland. Ich wünsche dem BJF für die Zukunft eine Verbesserung der öffentlichen Förderung, die dieser Bedeutung wirklich gerecht wird (siehe dazu den nachfolgenden Exkurs).

Hast du eine persönliche Bemerkung für eine Veröffentlichung?
Wie wäre es mit einer Publikation zum Thema „Geschichte der nichtgewerblichen Filmarbeit in Deutschland“, übrigens auch ein gutes Thema für eine wissenschaftliche Abschlussarbeit/Dissertation (noch leben die meisten „Zeitzeugen“).

Hier ein kleiner Exkurs mit ein paar Denkanstößen für potenzielle Interessenten:
Eine meiner Thesen wäre, dass der finanzielle, personelle und institutionelle Aufwand, der auf Bundes-, Landes,- und kommunaler Ebene zur Förderung der nichtgewerblichen Filmarbeit betrieben worden ist, zumindest in den letzten 30 Jahren deutlich abgenommen hat.
Zu Beginn der 1990er Jahre unterhielt die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden eigens eine Filmauswahlkommission (AGOL FAK), die viermal im Jahr jeweils über mehrere Tage zusammenkam, um aus den Festivalprogrammen in Berlin, München, Frankfurt und Lübeck die besten Kinder- und Jugendfilme zur Herausgabe im 16mm-Format zu empfehlen. Diese Empfehlungen richteten sich an die nichtgewerblichen Vertriebe, etwa an das FWU, dem gemeinsamen Institut der Länder in München und an die konfessionellen Vertriebe. Das Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) unterhielt zu dieser Zeit einen eigenen nichtgewerblichen Vertrieb (und zugleich einen 16 mm-Verleih über die Verleihagentur beim LFD Mainz), war in der AGOL FAK vertreten und nutzte diese zugleich als Auswahlgremium für das eigene Vertriebsprogramm.

Die Empfehlungen der AGOL FAK fanden ihren Niederschlag in umfangreichen Beschaffungsprogrammen auf allen föderalen Ebenen: Ich erinnere mich an eine Auswertung zu den Anschaffungen der Landesbildstelle Berlin auf Grundlage der Empfehlungen der AGOL FAK, die Ansgar Wicher der Kommission Anfang/Mitte der 1990er Jahre einmal vorgelegt hat: eine lange Liste mit zahlreichen Titeln, die zum großen Teil gleich mit mehreren Kopien beschafft worden waren: das Schlaraffenland der nichtgewerblichen Filmarbeit! Der Preis einer 16 mm-Spielfilmkopie mit den Rechten zum Verleih für nichtgewerbliche öffentliche Vorführungen lag damals nach meiner Erinnerung bei ca. 4.000,- bis 4.500,- DM, also etwa dem 10-fachen dessen, was heute für eine DVD mit denselben Rechten gezahlt werden muss. Und vergleichbare Beschaffungsprogramme gab es auch bei anderen großen Landesbildstellen, kirchlichen AV-Medienzentralen und einem Teil der gut ausgestatteten Stadt- und Kreisbildstellen.

Wenn man das Gesamtvolumen der früheren Investitionen der „öffentlichen Hand“ im Bereich des Kinder- und Jugendfilmangebotes mit dem heutigen vergleicht, ist vermutlich ein eklatanter Rückgang feststellbar, der wahrscheinlich mit einer Umschichtung von Mitteln aus der nichtgewerblichen Filmarbeit in die allgemeine, zunehmend internetpädagogisch orientierte Medienarbeit einherging.
Spätestens seit Ende der 1990er Jahre erzeugte ein Paradigmenwechsel von der filmpädagogischen hin zur internetpädagogischen Ausrichtung der medienpädagogischen Arbeit einen erheblichen Druck auf die betreffenden Medienstellen im schulischen und außerschulischen Bereich, und diesem Druck war nur wenig entgegenzusetzen. So erfolgte der medienpädagogische Aufbruch ins Internetzeitalter zu einem erheblichen Teil auf Kosten der nichtgewerblichen Filmarbeit. Die „neuen Medien“ wurden nicht so sehr als Herausforderung begriffen, der zusätzlich zu begegnen war. Eher trat die pädagogische Begleitung der neuen Medien vielfach an die Stelle der Filmbildung (ganz nach dem Motto: „Wer zeigt denn heute noch Filme? Heute surft man im Internet!“).
Von der dann folgenden Karriere des Leitbegriffs der „Medienkompetenzförderung“ haben ebenfalls eher die neuen Medien profitiert. Gleichwohl ist es in den letzten Jahren gelungen, die filmpädagogische und filmkulturelle Arbeit wieder ein Stück aus ihrem Schattendasein herauszuführen. Dazu hat unter anderem die Abschwächung der überstarken Fokussierung der pädagogischen Medienarbeit auf das Internet und das Digitale beigetragen, sicherlich aber auch die Beharrlichkeit, mit der der Bundesverband Jugend und Film e.V. dieses Feld weiterhin bestellt hat.

Der BJF hat in den vergangenen 20 Jahren Aufgaben übernommen, die früher auf vielen Schultern verteilt waren: Dazu gehört auch die Interessenvertretung und Vernetzung der nichtgewerblichen Filmarbeit: Zu diesem Zweck war in den 1980er Jahren ein „Bundesverband nichtgewerbliche Filmarbeit e.V.“ gegründet worden, der die 1990er Jahre nicht überlebt hat. Dazu gehört des Weiteren die Auswertung und Bewertung neuer Kinder- und Jugendfilmangebote. Diese Aufgabe haben früher Gremien wie die AGOL FAK (später „Empfehlungsausschuss Medien EAM“) u.a. wahrgenommen. Dazu gehört schließlich ganz besonders das Qualitätsangebot der BJF-Clubfilmothek, zu dem früher einmal staatlich finanzierte Einrichtungen wie das KJF (auch mit der Auswertung von Filmen, die in Deutschland keinen Kinoverleih hatten), öffentlich geförderte Träger wie die filmothek der jugend nrw e.V. und viele mehr beigetragen haben.

Wenn sie denn geschrieben würde, so käme eine „Geschichte der nichtgewerblichen Filmarbeit in Deutschland“ nach kritischer Analyse der historischen Entwicklung sicherlich zu der folgenden Empfehlung an die politischen Entscheidungsträger:

Der BJF ist heute die zentrale Anlaufstelle der nichtgewerblichen Filmarbeit in Deutschland. Er hat Aufgaben übernommen, die früher auf vielen Schultern verteilt waren. Für diese Aufgaben steht dem BJF nur ein Bruchteil der früher für diesen Zweck durch die öffentliche Hand bereitgestellten Mittel zur Verfügung. Der BJF bedarf dringend einer finanziellen Ausstattung mit öffentlichen Fördermitteln, die seinem Stellenwert für die bundesweite Filmbildung gerecht wird.

Einzelne Projekte des BJF werden gefördert vom

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend